Hundert-Wörter-Texte


(1)

Wenn du mich nach ihm fragst und ich nichts sage, weil ich es ihm versprochen habe.
Wenn du mich nach ihm fragst und ich nichts sage, obwohl ich dich so sehr mag.
Wenn ich es dir doch sage, obwohl ich ihm Gegenteiliges versprochen habe.
Wenn ich es dir doch sage, weil ich dich so sehr mag.
Wenn du mich nach ihm fragst, aber keine Antwort bekommst.
Wenn du mich nach ihm fragst, aber keine Antwort erwartest.
Wenn du mich nicht fragst, weil du mich so sehr magst.
Wenn du mich nicht fragst und ich nicht erzähle.
Wenn alles gesagt ist.


(2)

Mein Körper ist von einer zähflüssigen Masse umschlossen, gelb und schwer, warm und weich. Es ist angenehm. Ich werde hier liegen bleiben, es geht nicht anders. Draußen wird es hell, die Stadt erwacht zur gewohnten Stunde. In mir ist es hell und dunkel zugleich. Ich lasse mich los, die Arme, die Beine, zuletzt das Gesicht. Die Welt dreht sich langsam. Meine Haut, meine Muskeln, meine Knochen lösen sich in einem Teig aus Lehm auf. Warmes Wasser durchdringt meine Glieder und auf einmal bahnen sich zarte Stängel ihren Weg an die Oberfläche. Ein kleines Pflänzchen will erwachen, nur ich schlafe weiter.


(3)

Es ist Sonntag. Aus irgendeinem Grunde hast du mich angerufen und willst nun nicht hören, was ich zu erzählen habe. Du fragst mich nach meinem Tag. Er war gut und schlecht. Ich habe mich gefreut und geärgert. Ich war einsam, suchend, kontaktfreudig, wie so oft in letzter Zeit. Aber all das, erzähl ich dir nicht, denn ich höre deine Hände über die Tasten am PC huschen, ein Tippen im Hintergrund, das mich nicht weiterreden lässt. Ich sehe deinen Blick Tagesnachrichten lesen und atme unsere Leere durchs Tele-fon ein. Ich warte darauf, dass etwas passiert. Vielleicht legt je-mand einen Schalter um…